Missbrauch der Demokratie

Missbrauch der Demokratie

In einem Artikel im Tagesspiegel vom 10. Oktober 2019„Wer kontrolliert die Kontrolleure“ kritisiert Prof. Hans Herbert von Arnim, dass viele Landesparlamente zu groß und zu teuer sind und dass das Berliner Abgeordnetenhaus es besonders dreist treibe. Seit der Wahl von 2016 besteht das Berliner Abgeordnetenhaus statt aus 130, wie im Landeswahlgesetz vorgesehen, aus 160 Mitgliedern. Statt als Grund für liegen gebliebene Arbeit die Übergröße des Hauses zu sehen, welche seine Funktions- und Arbeitsfähigkeit mindert, statt also das Wahlgesetz zu ändern und das Abgeordnetenhaus zu verkleinern, wurde durch Diätenerhöhungen finanziell gewaltig draufgesattelt und bei den im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien kann man keine Bemühungen sehen, diesen für sie so vorteilhaften Zustand zu ändern. Dieser Missstand muss im Interesse der Demokratie abgeschafft werden. Das Wahlsystem, das zu Überhangmandaten führt, muss so geändert werden, dass keine Überhangmandate entstehen. Ein Mehrheitswahlsystem beispielsweise mit direkt in Wahlkreisen gewählten Abgeordneten schließt Überhangmandate aus. Für die Piratenpartei Berlin wäre es eine lohnende Aufgabe, sich für eine Änderung des bestehenden Missstandes einzusetzen.

160 Abgeordnete scheinen auf den ersten Blick gewiss viel und in der Tat mehr als die im Gesetz genannte Mindestzahl von 130. Im Vergleich mit anderen europäischen Städten mit ansatzweise ähnlicher Verwaltung (z. B. Hamburg, Wien, Helsinki, Zürich, Lissabon, Amsterdam, Reykjavik, Prag usw.) im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Einwohnerzahl, ist unser Abgeordnetenhaus allerdings nicht überdimensioniert. Quantität und Qualität stimmen natürlich nicht immer überein.

Bei einer Diskussion über eine Änderung des Wahlsystems ist allerdings zu bedenken, dass gerade das Mehrheitswahlsystem am Ende die Stimmen vieler Wählenden ignoriert. Bei Betrachtung der letzten Agh-Wahl-Ergebnisse zeigt sich, dass die mit der Erststimme direkt Gewählten zwischen rund 22% und 47% der gültigen Stimmen erhielten. Das bedeutet einen Ausschluss von immerhin bis zu 78% der Wählenden von der Entscheidung.
Bei einer festgelegten Anzahl von Gewählten ließe sich erheblich demokratischer ein Verhältniswahlrecht, ggf. ergänzt mit “Vorzugsstimmen” oder eines der Systeme mit “Ranking” einführen.